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Neubau Scheune Im Sand 2
Regensdorf-Watt, 2022
Case Study House
Direktauftrag
Bauherrschaft: privat -
Das Gelände der Sportanlage Juchhof III im zürcherischen Altstetten erstreckt sich zwischen Bahngleisen, Schnellstrassen und Schrebergärten. Die Geräuschkulisse ist so heterogen wie das Umfeld selbst: vom Familienfest im benachbarten Kleingarten über das Kurvenquietschen von Zügen bis hin zum lauten Jubel vor den Sportplätzen. Die Sportbegeisterten versammeln sich um die drei Rasensportfelder auf dem drei Hektar grossen Areal. Einige Zuschauer haben es sich auf schattigen Sitzbänken unter den älteren und jungen Bäumen, die die Sportanlage schützend umsäumen, bequem gemacht. Viele weitere haben sich auf der langen Holztribüne versammelt, die sich direkt vor dem nördlichen Sportplatz befindet. Hier fiebern sie beim laufenden Fussballspiel kräftig mit.
Die beliebte dreistufige Zuschauertribüne erstreckt sich vor der Längsfassade des neuen Garderobengebäudes. Auf zwei Stockwerken erfüllt das Gebäude seine schützende Funktion für Sportler:innen, die sich umziehen oder die Sanitäranlagen nutzen wollen. Nach aussen hin wirkt das Haus introvertiert. Allerdings ist auf der Tribüne, im Foyer und in den umlaufenden Laubengängen immer etwas los. Die Geschlossenheit des Baukörpers wird aufgewogen durch die einladende Wirkung des Holzes, das ihn umhüllt. Spielerisch sind die Fassaden aus dem lokalen Naturbaustoff mit einem Rautenmuster lasiert. So zeigt der Bau mit Stolz, dass es möglich ist, klimafreundlich und zugleich ausdrucksstark zu sein.
Der horizontale Baukörper mit seiner identitätsstiftenden Fassadenornamentik besticht mit einem weiteren Blickfang: sieben Dachstrukturen, bedeckt mit Solarzellen, krönen den Holzbau. In der nordwestlichen Ecke des Areals platziert, gewährleistet es die normgerechte Umsetzung der drei flankierenden Rasensportfelder. Kaum sichtbar, wird unter dem Garderobengebäude ein grosser Wassertank gehütet, der mit Wasser aus dem nahe gelegenen Bach gefüllt ist und zur Rasenbewässerung eingesetzt wird. Die verdeckte Unterbringung wird durch die Anhebung des Garderobenbaus um 1,5 Meter über dem Geländeniveau ermöglicht, was vor allem dem Hochwasserschutz dient. Der daraus resultierende schwebende Eindruck wirkt sehr passend für das ephemere Holzbauwerk.
Ein Wegenetz rund um die Sportfelder bietet die allseitige Erreichbarkeit des Garderobenhauses für Fussgänger und Velofahrer. Vor der West- bis zur Südfassade erstreckt sich ein L-förmiger Vorplatz. Von diesem frequentierten Treffpunkt aus führen einige Stufen oder eine Rampe auf die erhöhte Veranda. Ein breiter Durchgang im Herzen des Bauwerks führt zur Zuschauertribüne. Dieser Bereich kann durch Schiebetüren offen oder geschlossen gehalten werden und ist ein Ort der Zusammenkunft. Eine überaus kräftige Säule beherrscht dieses Foyer: sie stellt einer der drei Motoren des Hauses dar. Genauer gesagt handelt es sich um ein ausgeklügeltes Strom- und Heizsystem, dessen kreisförmige Gestaltung durch eine Metallplatte geschützt ist. Das Element fällt nicht nur optisch auf, sondern je nach Jahreszeit auch durch seine strahlende Wärme, die umso spürbarer ist, je näher man herantritt.
Von den gedeckten Laubengängen aus führen zwei Wendeltreppen in das Obergeschoss. Unterbrechungen des Rautenmusters markieren hier die Eingänge zu den Garderoben. Hinter Doppeltüren in Camouflage sind die Garderobenwagen untergebracht, die sowohl vom Gang als auch von innen zugänglich sind. Vom unbeheizten Erschliessungsbereich gelangen die Sportler:innen in den wohlig warmen Umkleideraum. Im rückwärtigen Bereich, hinter einem Vorhang, befindet sich der geräumige Duschraum mit einer auffallend abgerundeten Ecke. Wie im Foyer gilt: Je näher man der geschwungenen Wand kommt, desto wärmer wird es. Der Wärmebedarf der Räume legt die zwiebelförmige Anordnung fest. Der Duschraum bildet dabei den Kern.
In der Gemeinschaftsdusche ist nicht nur die runde Wandheizung mit Metall verkleidet, sondern der gesamte Raum. Die Oberflächen wärmen sich beim Duschen äusserst rasch auf und sorgen so für ein Wohlfühlklima. Durch ein Oberlichtband gelangt Licht in den Raum, das sich an den Wänden leicht spiegelt. Auch der introvertierte Ankleideraum erhält sein stimmungsvolles Licht von oben: das lange Dachfenster leitet gezielt Sonnenlicht in das Innere. Der gesamte Garderobenraum ist mit Massivholz gestaltet, wodurch Behaglichkeit entsteht. Einige Zeit, nachdem der Duschraum nicht mehr benutzt wird, öffnen sich die Dachfenster automatisch, was zu der notwendigen Durchlüftung und Entfeuchtung führt. In der Garderobe sorgen Sensoren für einen ähnlichen Mechanismus und damit für eine optimale Nachtauskühlung in den Sommermonaten.
Dank der fensterlosen Fassaden sind die Gebäudebesucher vor Einblicken geschützt. Zudem reduzieren die Geschlossenheit, der hohe Dämmstandard sowie die Kompaktheit des Gebäudes den Wärmeverlust. Die effiziente Raumorganisation ist durch ein modulares Bausystem des Holzrahmenbaus gegeben. So werden im Obergeschoss vier Garderobeneinheiten zu je einem Modul zusammengefasst. Eine Einheit besteht aus einem Duschraum, einem Umkleideraum und einem Bereich für die Garderobenwagen. Vier Einheiten sind jeweils um einen zentralen Heizkörper angeordnet, das wiederum das Zentrum eines Moduls bildet. Zwölf Garderoben oder drei Module stehen insgesamt zur Verfügung. In südwestlicher Richtung kann das Garderobengebäude um ein weiteres Modul ergänzt werden.
Die Modularität des Holzbaus begünstigt die Vorfertigung und damit die Kosteneffizienz und die optimale Planung aller Lebensphasen des Bauvorhabens. Auch eine kurze Bauzeit kann dadurch gewährleistet werden. Das dominierende Baumaterial ist Holz, wobei die Konstruktion durch Holznägel zusammengehalten wird. Ein schönes Detail, das dafür sorgt, dass das Holz beim Rückbau kompostiert oder wiederverwendet werden kann. Beim Neubau des Garderoben- gebäudes wurde penibel darauf geachtet, dass es vollständig schadstofffrei und kreislaufgerecht gestaltet wurde. Um so wenig wie möglich zu verbauen, wurde auch jedes einzelne Bauteil überdacht und sein Potenzial für kombinierte Funktionen ausgeschöpft. So zu sehen an den drei technischen und wärmenden Säulen, um die sich alles dreht.
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Im Zentrum von vier Garderobeneinheiten befindet sich jeweils ein Warmwasserboiler, der von einem ringförmigen Luftkammersystem umschlossen ist. Die Lage des Boilers führt zu äusserst kurzen Warmwasserleitungen für die Duschen. Ein Wärmerückgewinnungssystem innerhalb der Duschrinnen optimiert den Warmwasserverbrauch. Zugleich wird die Abwärme des Boilers für eine Warmluftheizung genutzt, die ohne Heizleitungen auskommt. Diese basiert auf dem 20 Jahrhunderte alten Hypokausten-Prinzip, bei der warme Luft durch Wandelemente strömt. Im Gegensatz zum historischen System wird zugunsten einer Just-in-Time-Justierung auf eine träge, schwere Speichermasse verzichtet. Zur Warmwasseraufbereitung wird eine Wärmepumpe eingesetzt. Sie ist direkt über dem Boiler angebracht und wird mit der von der darüber liegenden PV-Anlage erzeugten Energie betrieben. Die Abwärme des Boilers wird in einem Zweikammer-Hohlraumsystem gespeichert und über ein Klappensystem und die aufgewärmte Metallwandverkleidung an den Innenraum abgegeben. Das äusserst rasche Aufheizen der Luft sorgt für den erforderlichen Just- in-time-Betrieb. Darüber hinaus stellt die verbrauchsoptimierte Steuerung eine optimale Auslastung der PV-Anlage sicher. In den Sommermonaten ohne Heizbedarf bleiben nach Bedarf die Klappen geschlossen und die Abwärme der Wärmepumpen wird zur Kühlung genutzt.
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Dank der mechanischen Steuerung der Oberlichter über Feuchte-, Temperatur- und CO2-Sensoren wird für eine automatische Belüftung und Entfeuchtung und damit für eine optimale Nachtauskühlung in den Sommermonaten gesorgt. Wenn mehr Nachtauskühlung benötigt wird, können die Türen zu den Garderoben offen gelassen werden, da das Obergeschoss durch die abschliessbaren Wendeltreppen gesichert ist. Die Verschattungen durch die umlaufenden Laubengänge tragen dazu bei, dass sich das Gebäude weniger aufheizt. Die Materialisierung der einzelnen Bereiche verhilft zu einem angemessenen Raumklima: So ist der Duschraum mit Metall und der Garderobenraum mit Holz verkleidet. Im Gegensatz zu Holz hat Metall eine geringe Wärmespeicherkapazität. Dadurch kann die Luft in den Duschen nach dem Entlüften der Feuchtigkeit bei Bedarf schnell wieder erwärmt werden. Im Garderobenraum hingegen wird die Wärme im Holz gespeichert, was zu einem angenehmen Raumklima beiträgt.
Die PV-Module auf der Dachfläche dienen nicht nur der Strom- und letztlich der Warmwassererzeugung, sondern die Aufständerung sorgt im Sommer auch für eine Beschattung («Brise Soleil») der darunter liegenden, nach Norden und Süden ausgerichteten Dachfenster. Im Winter wiederum lässt die Konstruktion das flache Sonnenlicht eindringen. Durch die Oberlichter wird das Tageslicht gezielt in den Innenraum gelenkt, was im Winter zu einem solaren Wärmegewinn führt. Die Fensterflächen wurden für eine optimale Tageslichtversorgung ausgelegt. Durch die gezielte Umlenkung des Tageslichts mittels eines weiss lackierten Sonnensegels wird der Tageslichtanteil um das Dreifache erhöht, was wiederum eine Optimierung der Fenstergrösse ermöglicht. Die Raumaufteilung folgt durchgängig der linearen Oberlichtstruktur. Im Erdgeschoss sorgen Oblichter über den Türen der Garderoben für einen angemessenen Tageslichtanteil, während das Büro des Hauswarts und der Theorieraum direkt über Fenster mit Holzjalousien in Camouflage belichtet werden können.
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Die Vermeidung geschlossener Bodenbeläge durch die Verwendung von Kiesflächen, wo immer möglich, und die Aufforstung des vorhandenen Baumbestands tragen zu weniger Hitze und mehr Schatten auf dem gesamten Areal bei. Der Raum unterhalb des Gebäudes optimiert die Luftzirkulation. Er ist zudem mit Laubhaufen bespielt und dient Kleintieren zur Überwinterung. Auf den Dachflächen ist für eine grösstmögliche Artenvielfalt ist eine Kombination aus intensiver und extensiver Begrünung mit unterschiedlich starken Vegetationsschichten und Totholz vorgesehen. Auf diese Weise wird auch eine Überhitzung des Daches verhindert und eine Regenwasserrückhaltung erzielt.
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Der gesamte Wandaufbau besteht aus unverleimten Vollholzelementen und Nadelholzresten, die zu Holzschnitzeln verarbeitet und direkt als Einblasdämmung oder als im Nassverfahren gepresste Weichfaserplatten ohne Leimzusatz verwendet werden können. Die diagonale Anordnung der Vollholzriemenschalung nimmt die horizontale Aussteifung auf und verleiht dem Gebäude ein identitätsstiftendes konstruktives Ornament. Die mechanischen Verbindungen der Holzelemente erfolgen mittels Buchenholznägeln. Die Vollholzriemen an Wand und Boden können für die Instandsetzung einfach abgeschliffen, der Boden überdies einfach ausgetauscht werden. Das verwendete Holz kann nach Ablauf der Lebensdauer des Gebäudes entweder wiederverwendet, kompostiert oder CO2-neutral in einem Biomasseheizkraftwerk zur Wärmeerzeugung genutzt werden. Das reine Vollholz ist für die vorgesehene Lebensdauer von 60 Jahren und mehr ausgelegt.
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In den Hochsommermonaten müssen täglich insgesamt rund 60‘000 Liter Wasser für eine einmalige Beregnung für die drei Kunstrasenfelder bereitgestellt werden. Um den Trinkwasserverbrauch stark zu reduzieren, wird vorgeschlagen, zur Bewässerung der Sportfelder Wasser aus dem eingedolten Bach im südlichen Bahngraben zu entnehmen. Unter Berücksichtigung der Trockenwetterabflussmenge Q347 von 16 l/s wird das Bachwasser mit maximal 10.4 l/s in ein Stapelbecken mit einem Fassungsvermögen von 60‘000 Litern geleitet. Eine Tankfüllung reicht für die Beregnung aller drei Sportplätze an einem Tag und dauert durchschnittlich rund 95 Minuten. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben wird es über ein Drainagesystem unter den Feldern schliesslich wieder in den eingedolten Bach zurückgeführt. Damit können jährlich rund 7.5 Millionen Liter Trinkwasser eingespart werden.
In einer übergeordneten Strategie könnten die grossen Flächen der Sportplätze des Juchhofs I bis III sowie die zahlreichen Schrebergärten in unmittelbarer Umgebung mit einer Zuleitung aus der Limmat bewässert werden. Dieses bewilligungsfähige Vorhaben würde eine unvorstellbare Menge an Trinkwasser einsparen.
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Die geringen Fensterflächen können den winterlichen Wärmeverlust und den sommerlichen solaren Eintrag gering halten. Auch deren energieintensive Produktion kann dabei auf ein Minimum reduziert werden. Dennoch kann es aufgrund des minimal gehaltenen Heizsystems und des Verzichts auf Kühlung zu Abweichungen der normativ vorgegebenen Komforttemperaturen kommen. Im Duschbereich zu den Aussenwänden hin kann es im Winter etwas abkühlen, wobei die Toleranz aufgrund der warmen Luftzirkulation und des hohen Dämmstandards als gering einzustufen ist. Simulationen basierend auf normativen Vorgaben weisen auf eine mögliche Überhitzung an bestimmten Sommertagen hin, insbesondere bei ganztägiger Wochenendnutzung. Erst im Betrieb wird sich zeigen, inwieweit eine Überhitzung infolge der Wärmelasten beim Duschen und der normativ vorgesehenen Wärmeeinträge, die natürlich auch geringer sein können, auftritt. Um dem deutlich entgegenzuwirken, ist eine effiziente Nachtauskühlung vorgesehen. Aufgrund der zunehmenden Tropennächte in der sich künftig erhitzenden Stadt wird das Potenzial für Nachtauskühlung voraussichtlich abnehmen. Auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt nicht von einer starken Überhitzung ausgegangen wird, sollte die Nachrüstung einer Kühlanlage im Gebäude vorgesehen werden. Diese könnte direkt mit dem anfallenden Solarstrom nahezu emissionsfrei betrieben werden.
Die modulare Bauweise mit reversiblen Verbindungen, welche die Wiederverwendung von Baumaterialien und -teilen ermöglicht, sorgt dafür, dass der ökonomische Wert der Baustoffe erhalten bleibt. Gewissermassen dient das Gebäude als temporäres Rohstofflager. Mit Hilfe der Madaster-Plattform kann der monetäre Restwert erfasst bereits während des Lebenszyklus digital erfasst und verfolgt werden. Aufgrund zunehmender Ressourcenknappheit kann der Wert bestimmter eingesetzter Materialien und damit des Gebäudes während des Lebenszyklus steigen. Um die Betriebskosten niedrig zu halten, wurden wartungsarme Materialien eingesetzt. Die Vollholzriemen an Wänden und Böden können bei Bedarf abgeschliffen werden, um dem Haus regelmässig ein frisches Aussehen zu verleihen.